Ich war immer zögerlich, im Internet meine sportlichen Aktivitäten zu teilen. Sportlichkeit und Wettbewerbsdenken sind so eng miteinander verwoben, dass der Wettkampf aus dem Sport so wenig wegzudenken ist wie Betrunkene aus der Fankurve. Meine Laufzeiten auf Social Media zu posten erschien mir sowohl ein Eingeständnis meiner eigenen Unfähigkeit - 45 Minuten für 5 Kilometer? - als auch ein irgendwie ekelhafter Flex. In unserer leistungsbesessenen Gesellschaft wird Sportlichkeit nicht nur mit Gesundheit verknüpft, sondern auch mit Jugend, Disziplin und Erfolg. Abnehmen nicht zu vergessen. Ich habe keine Disziplin, nicht beim Sport und nicht bei meiner Masterarbeit, die ich gerade mit diesem Text prokrastiniere. Ich bin eine der Personen, von denen Fitnessstudios mit hinterhältigen Abomodellen profitieren. Ich habe auch keine Ahnung, wie lange mich aktuell ein 5-Kilometer-Lauf in Anspruch nähme, weil ich seit Februar nicht mehr joggen war. Aber vor allem war ich zögerlich etwas zu teilen, das so sehr mit meiner anorektischen Episode verknüpft ist wie Sport.
Als ich gestern Abend Fotos von mir beim Klettern zugeschickt bekam, hatte ich sofort das Bedürfnis, sie zu teilen. Nicht weil ich die Welt wissen lassen wollte, wie viel ich für meinen Körper tue, oder um zu zeigen, wie “gut” ich auf einer arbiträren Skala von sportlichem Erfolg abschneide. Sondern weil ich da auf einmal etwas sah, das mir sehr wohl teilenswert erschien. Nenn es eine Geschichte:
Vor ein paar Monaten begann ich, mit meiner Freundïn S. klettern zu gehen. Wir strichen alle Wertungen aus unserem Vokabular. Wenn wir zu ehrgeizig wurden, kletterten wir anspruchsvolle Routen, nur um bei den ersten Griffen lachend in den Gurt zu stürzen. Mit der Zeit fand ich weitere Kletterpartnerïnnen. In manchen Wochen musste ich mich davon abhalten, täglich die Halle aufzusuchen. Das Vertrauen in Equipment und Sicherungspartnerïnnen wurde die beste Konfrontationstherapie für meine Höhenangst. Als eine Person, die seit mehr als fünfzehn Jahren mit dem Verhältnis zum eigenen Körper hadert, merke ich, wie da etwas heilt. Wie es möglich ist, Sport zu machen, ohne mich zu irgendwas zu zwingen. Wie es um nichts anderes geht als Spaß, manchmal sogar um den Spaß an der Herausforderung, aber nie um die Herausforderung als Kampf gegen den eigenen Körper.
Ich mag, dass man auf den Bildern meine Rückenmuskeln sieht. Aber viel mehr mag ich, dass mir die Muskeln nicht so wichtig sind.
Dieser Text ist Teil der Edition kurzundschlecht des einwortKollektivs. Irgendwann mal wollten wir alle zwei Monate eine neue Edition machen, aber dann wurden wir vom Leben abgelenkt und zu perfektionistisch mit unseren Texten. Deswegen kurzundschlecht. Mehr Editionstexte bei
, , , undDanke an Kea für das Lektorat!
Ich bin auch gerade dabei, Sport von Leistung zu entkoppeln! Habe in Mai nach neun Jahren Pause wieder mit dem joggen angefangen und zwinge mich zu Gehpausen oder laufe kurze Strecken, für die ich früher nicht mal meine Schuhe angezogen hätte...